Artikel erschienen im März 2025

Autorin: Carmen Mausbach

Bild aus der Vogelperspektive. Ein Team acht junger Menschen sitzt am Tisch. In der Mitte liegt eine weiße leere Papierwolke.

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Internet-Bewertungen zu Produkten oder Unternehmen fallen teilweise zu negativ aus oder gleiten ins Unsachliche ab. Auch in sozialen Medien ist der Umgangston oft unhöflich bis feindselig. Anonyme Hasskommentare und üble Beleidigungen sind keine Seltenheit. Gerichte müssen dann klären, was vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt ist.

Laut dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sind Meinungsäußerungen Werturteile, die nicht überprüfbar im Sinne von „wahr“ oder „falsch“ sind. Sie stehen unter dem Schutz des Grundgesetzes (GG).

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Art. 5 GG

Die Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht (Art. 1 Abs. 3 GG). Die Grundrechte entfalten Drittwirkung, gelten also auch für privatrechtliche Rechtsbeziehungen und sind immer wieder Gegenstand straf- und zivilrechtlicher Streitigkeiten.

Zulässigkeit von Äußerungen

Meinung (wertend) Tatsachenbehauptung
Nachweislich wahr Nachweislich falsch
Ist die Äußerung durch Art. 5 GG geschützt?
ja ja nein
Gibt es Ausnahmen?
Schmähkritik, Formalbeleidigung, Angriff auf Menschenwürde Beleidigung z. B. künstlerisch dargestellte Satire

Quelle: Eigene Darstellung

Die Grenzen zwischen geschützter Meinungsfreiheit und unzulässigen Äußerungen sind nicht immer scharf. Laut Verfassungsgericht sind auch Meinungen geschützt, die von den Vorstellungen der Mehrheit abweichen, unabhängig davon, ob sie geistreich und durchdacht oder unreflektiert und unverschämt sind. Auch polemische oder verletzende Meinungen können geschützt sein. Das Verfassungsgericht urteilte 1995 im „Soldaten-Verfahren“, dass eine Äußerung als herablassend eingestuft wird, wenn sie eine einzelne Person betrifft. Der Ausspruch „Soldaten sind Mörder“ ist von der Meinungsfreiheit gedeckt, da kein bestimmter Soldat gemeint sei, sondern alle Soldaten. Es müsse aber eine Abwägung zwischen der Schwere und den Folgen der Beeinträchtigung vorgenommen werden. Die Zulässigkeit einer Äußerung hängt also von den Umständen ab.

Die Grenzen der Meinungsfreiheit gelten als überschritten, wenn Persönlichkeitsrechte Dritter oder die Menschenwürde verletzt werden. Persönlichkeitsrechte gelten als verletzt, wenn es in einer Auseinandersetzung nicht mehr um die Sache geht, sondern um die Diffamierung einer Person. Eine derartige Äußerung fällt unter den Begriff Schmähkritik. Eine Einzelfallabwägung der Umstände ist allerdings nicht erforderlich, wenn es um eine Formalbeleidigung geht. Das Verfassungsgericht versteht darunter eine „mit Vorbedacht und nicht nur in der Hitze einer Auseinandersetzung verwendete, nach allgemeiner Auffassung besonders krasse, aus sich heraus herabwürdigende Äußerung, etwa aus der Fäkalsprache“. Es geht also nicht um fehlenden Sachbezug, sondern um gesellschaftlich missbilligte und tabuisierte Begriffe. Die Menschenwürde wird zum Beispiel durch Volksverhetzung verletzt (§ 130 StGB, Strafgesetzbuch). Im Gegensatz zu Werturteilen sind Tatsachenbehauptungen eindeutig „wahr“ oder „falsch“. Es gibt dafür also Beweise, die auch zugänglich sind. Eine falsche Tatsachenbehauptung stimmt nachweislich nicht und ist im Unterschied zur wahren Tatsachenbehauptung nicht durch Art. 5 GG geschützt.

Straf- und zivilrechtliche Folgen

Wer sich unzulässig und beleidigend äußert, muss mit juristischen Konsequenzen rechnen. Das Strafgesetzbuch führt drei Grunddelikte auf: Beleidigung (§ 185 StGB), üble Nachrede (§ 186 StGB) und Verleumdung (§ 187 StGB).

Unwahre Tatsachenbehauptungen tangieren vor allem die üble Nachrede und Verleumdung. Bei der Verleumdung handelt es sich um eine bewusste Lüge. Bei der üblen Nachrede steht die Herabwürdigung einer Person im Vordergrund. Sie liegt auch dann vor, wenn die unwahre Tatsachenbehauptung das Ansehen einer Person beschädigt. Die Beweislast trifft in Zivilprozessen üblicherweise die Person, die sich auf für sie günstige Tatsachen beruft. Bei der üblen Nachrede findet jedoch eine Beweislastumkehr statt: Die sich äußernde Person muss ihre Aussage beweisen. Allerdings können auch wahre Tatsachenbehauptungen gemäß § 192 StGB strafbar sein, wenn es sich um Beleidigungen handelt, also um wahre Tatsachenbehauptungen mit beleidigendem Charakter.

2021 weitete der Gesetzgeber den Anwendungsbereich von § 188 StGB aus, um Personen des politischen Lebens besser vor Hass und Hetze im Internet zu schützen. Nach Bundes- und Landespolitiker:innen werden nun auch Kommunalpolitiker:innen einbezogen. Zudem wurde der strafrechtliche Schutz durch § 188 StGB vor Verleumdungen und übler Nachrede auf Beleidigungen erweitert. Diese können nun mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden.

Geschädigte können zudem zivilrechtliche Ansprüche geltend machen. Im Presserecht haben Betroffene bei falschen Tatsachenbehauptungen Anspruch auf eine Gegendarstellung. Auch können sie einen Unterlassungsanspruch geltend machen. Dies geschieht durch eine Abmahnung nebst Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, durch die sich die äußernde Person verpflichtet, keine weiteren Rechtsverletzungen zu begehen und bei Zuwiderhandlung eine empfindliche Vertragsstrafe zu zahlen. Wird keine Erklärung abgegeben, können Betroffene vor Gericht einen Unterlassungsanspruch im Wege der einstweiligen Verfügung oder im Rahmen einer Klage durchsetzen.

Bei schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen besteht Anspruch auf eine Geldentschädigung. Dieser entfällt, wenn die Verletzung anderweitig hinreichend ausgeglichen werden könnte, Betroffene diese Möglichkeit aber nicht ergreifen. Auch müssen Betroffene zeitnah reagieren, nicht erst kurz vor der Verjährung, um eine möglichst hohe Entschädigung durch das Sammeln von Verstößen zu generieren. Gerichte urteilen in diesen Fällen, dass die Verletzung nicht so schlimm sein kann, wenn Betroffene jahrelang untätig bleiben.

Prominente Urteile zum Thema Meinungsfreiheit

Fall Einordnung/Urteil
Ein Jurist wurde als „Winkeladvokat“ bezeichnet, um ihm die fachliche und moralische Qualifikation abzusprechen. Keine Schmähkritik
Der Beschwerdeführer bezog sich allerdings wörtlich allein auf die Kanzlei und nicht auf eine konkrete Person.
VerfG, 02.07.13, Az. 1 BvR 1751/12
Eine Fernsehansagerin wurde als „ausgemolkene Ziege“ bezeichnet. Schmähkritik
BGH, 05.03.1963, Az. VI ZR 55/62
Der Moderator einer Fernsehsendung nannte eine Politikerin „Nazi-Schlampe“. Keine Schmähkritik/Formalbeleidigung
Es handle sich um Satire und die Sendung hätte nicht die Rufschädigung der Person zum Ziel gehabt.
LG Hamburg, 11.05.17, Az. 324 O 217/17
Im Gedicht „Schmähkritik“ unterstellte ein Satiriker dem türkischen Präsidenten Erdoğan Pädophilie und Sodomie. Nicht strafbar, aber Schmähkritik
Die Verfassungsbeschwerde des Satirikers wurde mangels Aussicht auf Erfolg nicht zur Entscheidung angenommen.
OLG Hamburg, 15.05.18, Az. 7 U 34/17
Ein Verlag veröffentlichte knapp 90 unwahre Berichte über Madeleine von Schweden. Unwahre Tatsachenbehauptung
OLG Hamburg, 30.07.09, Az. 7 U 4/08

Quelle: Eigene Darstellung


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